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ARD und ZDF
Wie neutral sind ARD und ZDF?

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit der ARD und dem ZDF an erster Stelle sind laut Rundfunkstaatsvertrag zur Ausgewogenheit verpflichtet, also insbesondere auch zur politischen Ausgewogenheit. Doch über Jahre hinweg gähren zwei Vorwürfe: erstens, die Öffentlich-Rechtlichen haben die rechtskonservative AfD überhaupt erst bekannt gemacht durch ständige Auftrittsgelegenheiten vor allem in Talkshows, und zweitens, die Journalisten seien überwiegend linksgrün ausgerichtet. An beiden Vorwürfen scheint etwas dran zu sein, so widersprüchlich dies auf den ersten Blick erscheint.

Verpflichtung zur Neutralität

Es lässt sich über Jahre hinweg tatsächlich kaum der Eindruck vermeiden, dass die fortschrittlichen,  eher linken und grünen Kräfte Deutschlands journalistischen Wohlwollen bei ARD und ZDF erfahren. Und es gibt dafür ein einleuchtende Erklärung: Da dies dem Weltbild der meisten Journalisten in den öffentlich-rechtlichen Anstalten entspricht, vertreten sie aus unter Vorspiegelung einer angeblichen Neutralität. Hauptsache die Kommentare, also die gerade nicht zur Neutralität verpflichteten Meinungen, sprechen sich mehrheitlich für sozialistisch-gerechte Konzepte aus, von der Befürwortung staatlicher Eingriffe bis hin zu einem ökologisch verträglichen Leben. Dennoch lässt sich natürlich eine aufstrebende rechtskonservative Partei wie die AfD nicht einfach ignorieren. Folglich wird sie in erstaunlich viele Talkshows eingeladen, um vor allem eines zu tun: Sie vorzuführen, sie lächerlich zu machen, dem Zuschauer darzustellen, wie schlimm diese Partei ist, weil sie gesellschaftlich längst akzeptierte Tabus bricht. Was viele dieser Journalisten dabei nicht oder erst viel zu spät merken: Immer mehr Zuschauer befürworten die Tabubrüche, sie empfinden die AfD als eine Partei, die Klartext redet, die sich gerade nicht an nicht zuletzt von der Journalie aufgestetzte Sprachregelungen hält. Während viele Journalisten in ihrer eigenen linksorientierten Weltanschauung meinen, dass allein die Öffentlichungmachung der „schlimmen“ Ansichten der AfD diese disqualifizieren, empfindet es ein wachsender Anteil der Zuschauer genau anders herum. Erst als es längst zu spät ist, scheint dem einen oder anderen Journalisten klar geworden zu sein, dass er bzw. sie ungewollt zum Aufstieg der neuen Rechtspartei beigetragen hat. Nachdem dieser Geist aus der Flasche und der Bekanntheitsgrad der AfD nicht mehr zurückzuschrauben ist, gewinnt die politische Positionierung der Partei an Bedeutung. Es wiederholt sich dasselbe Spiel: Die AfD selbst will sich als eine bürgerlich-konservative Partei rechts von der CDU einordnen, vergleichbar mit dem ehemaligen konservativen Flügel der CDU. Weite Teile der öffentlich-rechtlichen Presse hingegen rücken die AfD in die rechtsextreme-völkische Ecke, quasi als Nachfolgerin der NSDAP, als Hitlers Söhne und Töchter. Für diese Situation gibt es eine einleuchtende Erklärung: Jeder Mensch orientiert sich daran, wie seinesgleichen über ihn denkt. Und so orientieren sich die meisten eher linksgerichteten Journalisten darin, was ihre Gesinnungsgenossen von ihnen halten. Ihre Kolleginnen und Kollegen sind wichtiger als der Zuschauer. Soziologen nennen dies die Regression zur Mitte.

Mainstream-Medien

Diese Entwicklung ist durchaus zeitlich mit der Kanzlerschaft von Angela Merkel zu korrelieren. Während in den Zeiten davor noch erzkonservative Moderatoren wie Gerhard Löwenthal und Bodo Hauser und Sendungen wie „Panorama“ und „Monitor“ über die Bildschirme flackerten, sind derartige Meinungen seit 2020 als „AfD-nah“ nicht mehr gesellschaftskonform, jedenfalls nicht nach Ansicht der Öffentlich-Rechtlichen.

Es ist diese Entwicklung, die den Fernsehanstalten den Ruf als Mainstream-Medien einbringt, die nur noch berichten dürfen, was die Politik vorgibt. Man muss wohl weder AfD-Anhänger noch „Rechter“ sein, um sich bei dieser Meinungsbevormundung unwohl zu fühlen, sich dagegen zu wehren. Die AfD ist nur am aggressivsten, dem Missmut über das Gebührenfernsehen Ausdruck zu verleihen - und sie ist bekanntlich erfolgreich damit. Doch der Unmut in der Bevölkerung, jeden Monat dafür zu bezahlen, eine mehr oder minder einseitige Meinung vorgesetzt zu bekommen, geht wohl weit über die AfD-Anhängerschaft hinaus. Es schleicht sich über Jahre hinweg das Gefühl einer Meinungsbevormundung ab und es stellt sich die Frage: Welche Bedeutung hat ein Staatsfunk, der von immer weiteren Teilen der Bevölkerung als Teil des Regierungsapparats und nicht als unabhängige Pressestimme wahrgenommen und akzeptiert wird.?Die Antwort muss wohl lauten: Keine, oder jedenfalls keine gute. Indes bleibt diese Entwicklung nicht auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschränkt, sondern weitet sich - fatalerweise - auf weite Teile der Presse aus, es ensteht der Begriff „Lügenpresse“. Die sogenannten Mainstream-Medien werden unter Generalverdacht, nicht mehr frei zu berichten, sondern der herrschen Regierung nach dem Mund zu reden. So bestimmt die Situation bei ARD und ZDF letztlich das Schicksal das deutschen Presselandschaft in einem weit über die Anstalten hinausgehenden Maße. Der Schaden dürfte irreparabel sein; die Presse als eine unabhängige Institution, die das Meinungsspektrum in der Bevölkerung widergibt, ist wohl nicht mehr zu retten. Natürlich ist dies nicht nur, aber eben auch, die Schuld der Anstalten. Das Aufkommen der sozialen Medien „Sprachrohr des Volkes“ und damit Alternative zur vermeintlich zensierten Presse ist mindestens ebenso stark am Niedergang der traditionellen Presse beteiligt.

Wachsendes Misstrauen

Das wachsende Misstrauen gegenüber den Mainstream-Medien hängt unmittelbar mit einem politischen „Haltungsjournalismus“ zusammen, der spätestens seit 2015 um sich gegriffen hat. Es wird wichtiger, der Öffentlichkeit und vor allem auch den Kollegen gegenüber, die „richtige Haltung“ zu zeigen anstatt „nur“ zu informieren. Das markierte die Abkehr vom Grundsatz, den der erste Tagesthemen-Moderator Hajo Friedrichs einst zum journalistischen Credo erklärte: „Macht dich mit keiner Sache gemein - auch nicht der guten.“ In Deutschland war diese Abkehr mit dem Aufstieg der AfD verbunden. Mit dem Heranwachsen einer starken nationalkonservativen Partei wurde es für die Mehrzahl der linksliberal ausgerichteten Journalisten immer wichtiger, „den Rechten“ einen moralischen Riegel vorzuschieben. So konnte die Hamburg Media School nachweisen, dass 2015 insgesamt 82 Prozent aller Beiträge zur Flüchtlingsthematik positiv konnotiert waren und zwei Drittel die Probleme der Zuwanderung nicht benannt oder bewusst ignoriert haben. In der Bevölkerung war es jedoch genau umgekehrt, wie etwa die Meinungsforscher des Allensbach-Instituts bereits 2016 ermittelten. Diese Diskrepanz zwischen einer moralisch-erzieherischen Berichterstattung und der Realität hat sicherlich maßgeblich zum Medienverfall beigetragen. Dieser pseudo-neutrale meinungsmachende Journalismus lässt sich im übrigen nicht nur am Themenkomplex AfD/Flüchtlingspolitik festmachen, sondern beispielsweise auch an den Berichten über US-Präsident Donald Trump. Eine internationale Vergleichsstudie der Universität Havard aus dem Jahr 2017 ergab, dass Deutschland einen Spitzenplatz einnahm, wenn es um negative Berichterstattung geht. 98 Prozent (!) aller in Deutschland veröffentlichten Trump-Darstellungen waren negativ, mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Man muss man Donald Trump nicht mögen, aber von einer politisch ausgewogenen Presselandschaft kann man angesichts dieser Zahlen sicherlich nicht reden. Schlimmer noch: Die Medien haben den Aufstieg der AfD durch ihren Gegenjournalismus nicht nur maßgeblich vorangetrieben, sondern auch nichts daraus gelernt. In der seit 2019 tobenden Debatte über den menschengemachten Klimawandel dient das Schimpfwort „Klimaleugner“ der Diskreditierung all derjenigen, die abweichende Meinungen vertreten. Sorgen der „Rechten“ wegen „ungesteuerter Zuwanderung“ oder „Ausländerkriminalität“ werden als böse abgetan, während die Sorgen der Grünen um das Klima derart erhöht werden, dass selbst das Ausrufen eines Klimanotstands allenthalben positive Berichterstattung findet, obgleich ein politischer „Notstand“ impliziert, dass demokratische Rechte beschnitten werden, um eine drohende Gefahr abzuwehren. Doch in Gefahr scheint wohl eher die Demokratie und der Meinungspluralismus zu sein als das Klima.