Thought Leadership

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Hanno Goffin
Neue Wege aus der Krise

Von Hanno Goffin, Interimmanager*

Abkehr von klassischen Krisenkonzepten?

Klassische Krisen und Sanierungskonzepte stellen meistens Kostensenkung und die Schaffung von Liquidität in den Vordergrund. Dies sind richtige und wichtige Maßnahmen. Nach Erfolgen bei diesen Maßnahmen schließt sich dann auch die Entwicklung mittelfristiger strategischer Wachstumsmaßnahmen an. Alternativ wurde in einem Vergleich von über 100 Krisenprojekten mit 33 großen spezialisierten Beratungsunternehmen geprüft, ob Unternehmen erfolgreicher waren, die von Beginn an den schwierigen Spagat wagten mit der Einführung von Kostensenkung und Liquiditätsmaßnahmen einerseits als auch expansiv ausgerichteten Wachstumsmaßnahmen andererseits. Wie waren die Ergebnisse?

Krisenmanagement in einem doppelten Ansatz

Im Vergleich eines Dreijahreszeitraums nach der Unternehmenskrise und  der Sanierung waren solche Unternehmen im Durchschnitt tatsächlich deutlich erfolgreicher,  als andere - und am Ende  -auch seltener von Insolvenz betroffen. Dieses Vorgehen erfordert jedoch eine hohe Kompetenz einer strategisch operativen Umsetzung unter sehr schwierigen Bedingungen. Es braucht einen Krisenmanager, der zusätzlich auch in der strategischen Neuausrichtung und der Identifikation neuer Chancen und neuer Geschäftsmodelle Erfahrung und Erfolg mitbringt. Dazu kommt auch eine starke Kompetenz in einer positiven Führung und Sozialkompetenz, um gerade jetzt das notwendige Mitarbeiterengagement und eine Identifikation der Mitarbeiter mit Unternehmen und den neuen Chancen zu entwickeln. Gerade in dieser Situation ist es herausfordernd Mitarbeiter hier mit echtem Engagement wirklich zu gewinnen, mit Wegen, die weit jenseits häufig üblicher Motivationsreden liegen.

Die Entwicklung aus der Krise – der Umsetzungsplan zum Aufstieg im Detail

Wichtige grundsätzliche Regeln aus der Kenntnis dieses großen Projektes sind 3 Maßnahmen:

1. Schon zu Beginn einer Sanierung muss die zukünftige Strategie bestimmt werden,

2. Die Gläubiger werden frühzeitig über die geplante Neuausrichtung informiert, damit kurzfristig sowohl Kostensenkungsmaßnahmen als auch strategische Maßnahmen gleichzeitig eingeleitet werden können.

3. In einem partizipativ geführten Sanierungsteam werden von Beginn an mit offener Diskussion und Kreativität die zukünftigen Lösungen und die notwendigen Veränderungen entwickelt.

Der Erhalt einer guten, intrinsisch motivierenden Unternehmenskultur ist eine wesentliche Erfolgsmaßnahme. Offene Kommunikation, Stärkung der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit und die Förderung von Mitarbeiterinitiativen zur Überwindung der Krise sind wichtige Maßnahmen zur Gestaltung eines zukünftigen Erfolgsunternehmens.

Krisenmanagement in guten Zeiten

Eine Rezession verstärkt Krisensymptome in Unternehmen deutlich und stürzt  gegebenenfalls auch bisher erfolgreiche Unternehmen in eine Krise. Hiervon sind insbesondere die Unternehmen betroffen, die die meistens unbeachteten Frühwarnsignale einer späteren ernsten Unternehmenskrise nicht beachten. Viele Unternehmen sind bereits in einer Krise, wissen es nur selbst nicht. Roland Berger zeigt in einer Analyse von 800 Restrukturierungsfällen, dass in 63% der Fällen von Ergebniskrisen dies schon 3 Jahre vorherabsehbar war und sogar bei 91% der Unternehmen 2 Jahre früher schon zu erkennen war. Ein präventives Krisenmanagement hat einen hohen Return. Im spezifischen Fall ist er jedoch in einem hypothetisches Szenario kaum quantifizierbar im Vergleich zu anderen Szenarien, weshalb oft rechtzeitige Präventivmaßnahmen nicht ausreichend umgesetzt werden. Jeder Monat, den dann ein Restrukturierungsprogramm  später gestartet wird,  zieht deutlich höhere Restrukturierungskosten nach sich. Hinzu kommen verpasstes Wachstum und Gewinn. Eine gesunde Art einer „kreativen Krisen-Paranoia“ unterstützt den langfristigen Unternehmensgewinn und die Stabilität erheblich. Tritt jedoch die Krise ein, ist ein erfahrenes strategisches Krisenmanagement eindeutig erfolgreicher, als der traditionelle „Cost-Cutter“

Wenn Unternehmen in guten Zeiten ein erfolgreiches Risikomanagement und Krisenprävention betrieben haben, werden sie in Zeiten der Rezession besser reagieren können - und auch weniger stark betroffen sein.

Worauf kommt es aber nun in der Rezessionskrise an?

Daten, Ergebnisse und Erfahrungen zeigen, dass erfolgreiches Krisenmanagement in Zeiten der Rezession insbesondere in der Kombination von  Maßnahmen der Effizienzsteigerung und wichtigen gut ausgewählten strategischen Zukunfts- und Marktinvestitionen geführt wird.

Sony war in den neunziger Jahren ein sehr erfolgreiches und führendes Unternehmen in zahlreichen Produktkategorien. In den Krisen 2001 und 2008 reagierte man mit sehr erheblichen 2-steligen Reduzierungen bei Personal, Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und bei Kapitalinvestitionen. Unmittelbar nach der Krise zeigte Sony zwar positive Ergebnisse und sogar eine Verbesserung der operativen Marge, verlor aber seit dem seine führende Position in seinen Märkten. Andererseits investierte eine Firma wie Taiwan Semiconductors zu Zeiten der Krise und der Internetblase 2001 erheblich in sein geplantes Wachstum und investierte sehr günstig, um seine in der Zukunft notwendigen Ressourcen aufzubauen. Dies ermöglichte den rasanten Aufstieg des Unternehmens in die Top 3 der Halbleiterhersteller der Welt. General Electric erhöhte in der Krise 2009, von der die zivile Luftfahrt erheblich betroffen war, deutlich seine Investitionen in die Forschung und Entwicklung der Antriebe der zivilen Luftfahrt. Auf der Luftfahrtmesse 2017 begründete der damalige CEO Jeffrey Immelt sein im Vergleich zu anderen Wettbewerbern sehr hohes Auftragsvolumen zu einem ganz wichtigen Maße in der weitsichtigen Reaktion und Investition des Unternehmens in der letzten Krise.

Aus den Daten tausender Unternehmen aus Rezessionskrisen kann abgeleitet werden, dass erfolgreiches Krisenmanagement in der Rezession gleichfalls durch einen doppelten Ansatz gestaltet wird.

Einerseits - durch geeignete Maßnahmen, die die Effizienz im Unternehmen deutlich erhöhen -  und andererseits dadurch, dass ein wichtiger Teil der dabei freiwerdenden Ressourcen strategisch in die zukünftige Geschäftsentwicklung geleitet wird. Zahlreiche Daten zeigen, dass Unternehmen, die in Krisen insbesondere auf den Abbau von Mitarbeiter Ressourcen setzten, im allgemeinen deutlich weniger erfolgreich oder sogar öfter von nachfolgenden Liquiditätskrisen betroffen sind, als Unternehmen mit diesem dualen Ansatz.

Arbeitsplatzabbau in der Krise – was ist richtig?

Unternehmen in schwierigen wirtschaftlichen Situationen werden richtigerweise auch Maßnahmen auf der Arbeitsplatzseite betrachten müssen. Es zeigt sich jedoch aus den Ergebnissen tausender Unternehmen, dass diese Maßnahmen auch aus unternehmerischer Perspektive sehr zurückhaltend eingesetzt werden sollen. Die theoretischen Kosteneinsparungen lassen sich im allgemeinen nicht im Ergebnis entsprechend  realisieren. Der Verlust von Wissen, hervorragenden Mitarbeitern, internen Netzwerken und die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Unternehmensroutinen in einem neuen Set-up haben erhebliche Nachteile zur Folge. Insbesondere bei Unternehmen, die schon in einer tieferen Krise waren, stellten sich auch nachfolgend weniger Vorteile ein, als im Vergleich zu Unternehmen, die ähnliche Maßnahmen zwar einführten, jedoch zuvor noch in einer gesunden, guten wirtschaftlichen Situation waren. Dies bedeutet: Gerade Unternehmen in bereits zuvor kritischer wirtschaftlicher Lage brauchen ein hervorragendes Krisenmanagement, was Maßnahmen trifft, die weit jenseits der schnellen, scheinbar einfachen Kosteneinsparungen auf der  Ressourcenseite liegen.

Ihr strategisches Krisen-Set-up

Die Überarbeitung der Strategie mit einem fokussiertem Vorgehen auf der Markt- und Unternehmensseite ist eine weitere wichtige Maßnahme. Daraus kann sowohl ein neuer Wachstumskurs, als auch eine Restrukturierung und der Verkauf von Geschäfts- und Unternehmensteilen folgen -  zum Beispiel, um neue Liquidität zu schaffen und die Effizienz zu steigern. Lego ist hier ein weiteres gutes Beispiel, die nach einer Fast-Insolvenz des komplexen Unternehmens mit einem komplexen, sehr breiten Produktportfolio durch eine konsequente Restrukturierung, Reduzierung und Fokussierung auf das wirkliche Kerngeschäft im Turnaround in der Folge immer wieder neue Rekord Ergebnisse erzielen.

Ich wünsche Ihnen sehr viel Erfolg in der aktuellen Krise, in der Krisenprävention, dem erfolgreichen Risikomanagement und die erfolgreiche Auswahl der richtigen Werkzeuge, um aus der Krise als Krisengewinner mit dem passenden strategischen Setup eines erfahren Krisenstrategen hervorzugehen.

Autor: Hanno Goffin: Hanno Goffin ist als Interimsmanager spezialisiert im B2B-Bereich, um Unternehmen aus schwierigen Situationen operativ und strategisch zurück an die Spitze zu führen. Er ist zertifizierter Krisenmanager durch das Institut für Krisenforschung, Kiel und das Institut für Unternehmenssanierung, Heidelberg (IFUS). Er führt die Umsetzung als Interimsmanager in Funktionen als CEO/Geschäftsführer mit dem besonderen Fokus auf profitables Wachstum, CRO oder Projektleiter für spezielle Restrukturierungsprojekte. Link: https://hannogoffin.com