Thought Leadership

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Eckhart Hilgenstock
Deutschland ist im Wandel, aber nicht im Niedergang

Von DC Mitglied Eckhart Hilgenstock*

Deutschland befindet sich im Wandel, aber nicht im Niedergang. Das Gerede von der Deindustrialisierung verkennt, dass Unternehmen viel mehr sind als Produktionsstätten. Sie sind auch Think Tanks, Ingenieurbüros und Softwareschmieden, greifen innovative Technologien auf, entwickeln frische Geschäftsmodelle, finden neue Absatzmärkte, begeistern ihre Kunden mit Dienstleistungen, sehen Chancen und ergreifen sie. Es ist zwar äußerst wünschens­­wert, wenn auch die Produktion in Deutschland verbleibt. Aber der Kern eines Unter­nehmens besteht nicht nur in der Fertigung von Produkten gleich welcher Art, sondern in seiner Innovationskraft, seiner Anpassungsfähigkeit an neue Entwicklungen und seinem Gespür für Kundenwünsche.

Die Fokussierung auf die industrielle Fertigung bei der Diskussion um den Wirtschaftsstandort Deutschland ist viel zu einseitig. Wer heute Produktions­verlagerungen ins Ausland als Folge der aktuellen Politik beklagt, verkennt, dass diese Form der Internationalisierung der Wertschöpfungskette spätestens seit den 1990er stattfindet. Zunehmendes Outsourcing und Offshoring mit Zulieferketten über Kontinente hinweg ist seit mehr als 30 Jahren ein Erfolgsrezept für die deutsche Wirtschaft. Das ist alles kein „verharm­losendes weiter so“ angesichts der anhaltenden Wirtschaftsflaute.

Wir brauchen mutiges Unternehmertum und Innovationskraft

„Wir brauchen heute stärker als in den letzten Jahrzehnten mutiges Unternehmertum und Innovations­kraft, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können – und genau das erlebe ich ständig in den Firmen, in denen ich aktiv bin. Häufig werde ich als Beirat oder Interim Manager in Unternehmen geholt, um Geschäftsprozesse zu optimieren, neue Absatzmärkte zu entwickeln, die Kundenfokussierung zu stärken oder Innovationen voranzutreiben

Derzeit bestes Beispiel ist Künstliche Intelligenz (KI). Die mittelständische Führungsriege spürt, dass KI das Potenzial hat, in vielerlei Hinsicht ein Gamechange für ihre Unternehmen zu werden. Dabei geht es bei vielen meiner Mandate nicht nur darum, mit KI bestehende Prozesse in der Organisation zu verbessern, sondern es gilt ebenso, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die überhaupt erst durch KI ermöglicht werden. Als Beirat bin ich regelmäßig Impulsgeber für Innovationen, als Interim Manager Leader für umfassende Transformationsprozesse.

Stärken und Schwächen der deutschen Wirtschaft

Dabei habe ich häufig festgestellt: Die deutsche Wirtschaft hat unbestrittene Stärken wie Ingenieurskunst, Prozessqualität, Systemdenken und Erfindergeist. Was ihr aber oftmals fehlt, ist die Bereitschaft, etablierte Geschäftsmodelle infrage zu stellen, und die Fähigkeit, technische Entwicklungen schnell marktfähig, skalierbar und monetarisierbar zu machen, bevor es andere tun. Angesichts des globalen Innovationsdrucks vor allem aus Asien und den USA müssen die heimischen Firmen daher mehr Mut finden, althergebrachte Bahnen zu verlassen und neue Wege gehen. Die Abwanderung ins Ausland wird ein Unter­nehmen auf Dauer auch nicht retten, wenn es nicht die Kraft für neue Denkmodelle findet.

Nach meinen Erfahrungen sind sich viele mittelständische Familienunternehmer nicht nur ihrer Verantwortung für den eigenen Betrieb, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland bewusst. Die heutige Führungsgeneration ist überwiegend fest entschlossen, für die Resilienz und Zukunftsfähigkeit zu sorgen, um damit die Grundlage für die nächste Generation zu schaffen.

Gleichzeitig liegt es bei der Politik, die Rahmenbedingungen für Unternehmertum vor allem durch Bürokratie­abbau zu verbessern. Ebenso wie die Wirtschaft gefordert ist, alte Zöpfe abzuschneiden, gilt das auch für die Politik. Schließlich nehmen die Unternehmen keine Produktionsv­erlagerungen ins Ausland als Selbstzweck vor, sondern weil sie hierzulande keine wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen mehr vorfinden.

* Eckhart Hilgenstock zählt zu den meistgefragten Interim Managern in Deutschland. Unternehmen holen ihn regelmäßig als Führungskraft auf Zeit in den Betrieb, wenn es um die Themen profitables Wachstum und Vertrieb sowie Digitalisierung und den KI-Einsatz in Organisationen geht. „Eckhart Hilgenstock gilt als Vorzeigetyp der Branche“, schrieb die WirtschaftsWoche über ihn. Seine Erfahrungen hat er u.a. gesammelt als General Manager EMEA Sales Global Accounts bei Microsoft sowie zuvor als Managing Director DACH bei Lotus Development und IBM Deutschland. Die Diplomatic Council Future Academy hat ihm den Titel „Top Interim Manager 2025“ verliehen.