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Jane Enny van Lambalgen
Versorgungsengpässe voraus

Von DC Mitglied Jane Enny van Lambalgen*

Unternehmen und Verbraucher müssen sich 2024 auf Engpässe bei der Warenversorgung einstellen. Rund um den Globus sind mehr Schwarze Schwäne unterwegs als je zuvor. Unter einem „Schwarzen Schwan“ versteht man unvorhersehbare Ereignisse wie beispielsweise eine Pandemie, wobei sich viele auf den ersten Blick unvorstellbare Geschehnisse schon lange vorher ankündigen“. Dazu zählen  beispielsweise Verschärfungen der Sicherheitslage rund um den Globus mit Auswirkungen auf die Lieferketten.

Auseinandersetzung um Taiwan ist absehbar

Der Angriff der Huthi-Rebellen im Roten Meer mag noch als Überraschung durchgehen, aber die Auseinandersetzung zwischen China und den USA um Taiwan ist schon lange absehbar – ein Beispiel für einen schwelenden Konflikt, der im Falle eines Ausbruchs zu massiven Versorgungsengpässen führen wird. Zudem werden die Kämpfe um den Gazastreifen 2024 weltweit Auswirkungen auf viele Lieferketten zeitigen. Hightech-Komponenten made in Israel sind in zahlreichen technischen Produkten vorzufinden. Wenn die dortigen Entwickler an der Front zum Einsatz kommen, werden sich viele Neuentwicklungen verzögern“. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Huthi-Rebellen Nachahmer an anderen bedeutsamen Seestraßen finden könnten.

Ebenso absehbar ist die Zunahme extremer Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden aufgrund des Klimawandels. Dadurch verursachte Schäden an Infrastruktur und Fertigungsanlagen könnten im wortwörtlichen Sinne über Nacht zu Produktionsausfällen und Lieferengpässen führen.

Ehrliches Risikomanagement ist angesagt

Daher ist der Wirtschaft zu einem ehrlichen Risikomanagement zu raten, das geopolitische Spannungen, Naturkatastrophen und Cyberangriffe auf das eigene Unternehmen und die Lieferkette ins Kalkül zieht. Dazu gehören: mindestens zwei Lieferanten für jede Komponente, möglichst verteilt auf zwei verschiedene Kontinente, und Flexibilisierung bei der Software, um diese bei notwendigen Halbleiterwechseln zügig anpassen zu können.

Mit der Ansiedlung neuer Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten für Halbleiterchips in Deutschland hat die Politik die richtigen Weichen gestellt, um internationale Abhängigkeiten auf einem Schlüsselsektor zu verringern. Dennoch sind die Unternehmen gut beraten, ihre firmenspezifischen Chipabhängigkeiten ebenfalls neu zu überdenken.

Die Diversifizierung der Lieferketten ist das Gebot der Stunde. Unternehmen, die nach dem Ende von Corona wieder zu ihrem alten Modell vermeintlich stabiler Lieferketten zurückzukehren versuchen, manövrieren sich in eine Sackgasse.

Balance bei Just-in-Time neu justieren

Bei der Just-in-Time-Fertigung ist dringend zu empfehlen, die Balance zwischen zeitpunktgenauer Anlieferung und Sicherheitsbevorratung neu zu justieren. Im Zweifelsfall ist es besser, die Liefersicherheit zu Lasten der Kostenseite zu stärken als unter Umständen gar nicht lieferfähig zu sein.

Dies gilt auch für die Sicherung kritischer Rohstoffe, deren Abbaugebiete oftmals in politisch instabilen Regionen angesiedelt sind. Dazu ein Beispiel: Wer auf bestimmte Rohstoffe aus Afrika angewiesen ist, muss die geopolitische Lage mit Schwerpunkt auf China und Russland beobachten. Auch in anderen Regionen sollte die politische Bedeutung der BRICS-Staaten nicht unterschätzt werden. Es sei darauf verwiesen, dass ganze Industriezweige von kritischen Rohstoffen abhängig sind, darunter die Elektronik, die Automobilindustrie, die Energiewirtschaft und die Medizintechnik.

* Jane Enny van Lambalgen ist Founding Partner und Geschäftsführerin der Firma Planet Industrial Excellence sowie Mitglied bei United Interim, der führenden Community für Interim Manager im deutschsprachigen Raum, und im Diplomatic Council, einer globalen Denkfabrik mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen (UNO). Für Unternehmen ist sie tätig als Interim Manager für Strategie, Operational Excellence, Turnaround, Supply Chain Management und Digital Transformation. Als Managerin auf Zeit übernimmt sie Positionen als CEO, Managing Director, COO, Delegierte des Verwaltungsrats, Aufsichtsrat und Beirat in der mittelständischen Wirtschaft. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind internationale Operations-Einsätze mit Fokus auf Produktion, Supply Chain und Logistik.