Thought Leadership

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Thomas Eberhard
Von der Datenflut zur Datenstrategie

Von DC Mitglied Thomas Eberhard*

In vielen Unternehmen türmt sich ein gigantischer Datenschatz – oder besser gesagt: ein unübersichtlicher Haufen digitaler Rohstoffe. Über Jahre hinweg wurden Informationen gesammelt, verteilt in zahllosen „Eimerchen“, unstrukturiert, schwer zugänglich und oft veraltet. Bevor daraus Wissen entstehen kann, braucht es zunächst Ordnung: Welche Daten sind relevant? Welche überflüssig? Welche gar schädlich, weil sie Verzerrungen und Diskriminierungen enthalten?

Doppeltes Datenvolumen alle zwei Jahre

Das Datenvolumen verdoppelt sich alle zwei Jahre, in der Medizin sogar noch schneller. Doch diese Entwicklung überfordert uns zunehmend: Wir speichern mehr, als wir auswerten können. Rechenzentren stoßen an ihre Grenzen – energetisch wie regulatorisch. Gleichzeitig fehlt der Mut, Altlasten über Bord zu werfen. Veraltete Systeme werden nicht angetastet – sei es aus Angst, Bequemlichkeit oder schlicht, weil niemand mehr weiß, wie sie funktionieren.

Ein Beispiel aus meiner Beratungspraxis zeigt, wie es auch anders geht: Ein Unternehmen entschied sich radikal für einen Neuanfang („Greenfield“) und warf rund die Hälfte seiner 64 Anwendungen über Bord. Das Ergebnis: geringere Betriebskosten, mehr Innovationsspielraum, höhere Effizienz. Voraussetzung dafür: Mut zur Veränderung.

Doch Mut allein reicht nicht. Auch strukturelle Hürden bremsen: mangelnde Standardisierung, föderale Kleinstaaterei, fragmentierte IT-Landschaften. In Deutschland teilt die Mehrheit der Unternehmen ihre Daten nicht – aus Angst, Kontrolle oder Wettbewerbsvorteile zu verlieren. Dabei wäre genau das nötig, um echte Wertschöpfung zu ermöglichen, sei es im Verkehrsmanagement, Katastrophenschutz oder der medizinischen Versorgung.

Blick ins Ausland

Ein Blick ins Ausland zeigt: Andere Länder mit kleinerer Verwaltung und weniger Altlasten haben digitale Verwaltungsprozesse oft schneller und nutzerfreundlicher umgesetzt. Deutschland hingegen bleibt häufig im Digitalisierungsstau stecken – nicht zuletzt, weil veraltete Aufbewahrungspflichten, unsichere Infrastrukturen und zu viele Akteure mit inkompatiblen Systemen das Vorankommen behindern.

Am Ende steht die Erkenntnis: Daten allein machen weder Behörden noch Unternehmen handlungsfähig. Erst wenn sie strukturiert, gesichert und sinnvoll genutzt werden, entfalten sie ihren Wert. Dafür braucht es klare Datenstrategien, Standards, politische Weichenstellungen – und Führungskräfte, die bereit sind, Ballast abzuwerfen. Nur so kann der Sprung in die digitale Zukunft gelingen.

* Thomas Eberhard leitet zusammen mit Kirsten Freundl das Chapter Munich des Diplomatic Council. Der anerkannte IT- und Managementexperte mit umfassender Erfahrung in IT-Strategie und digitaler Transformation bringt umfangreiche Kompetenz in IT-Governance, M&A und Sourcing und der Leitung komplexer Technologie-Projekte ein. Zu seinen beruflichen Schwerpunkten gehören der Aufbau, die Leitung, das Sanieren und Coachen von Großprojekten. In seiner Rolle als Global CIO im produzierenden Mittelstand und in leitenden Positionen im Maschinen- und Anlagenbau und Embedded Systems verantwortete er globale IT-Einheiten und IT-Reorganisationen. Nach rund 20 Jahren in der Beratung und Industrie ist Thomas nun etwa  zehn Jahre in der öffentlichen Verwaltung tätig. Dort ist er im Inhouse-Consulting der Landeshauptstadt München und leitet Projekte zu Benchmarking, Sourcing und Carve-outs für die Referate und Beteiligungen.